Fink Thurnher

Nachhaltigkeit als Vorbild?

 

Die Fink Thurnher Architekten aus Vorarlberg waren am 14. Februar 2013 eine der Preisträger des österreichischen Staatspreises für Architektur und Nachhaltigkeit. Unter sowohl ministerieller wie auch großer Publikumsbeteiligung wurden die Ehrungen vergeben. Am nächsten Tag sprach Peter Reischer mit den beiden über die Auswirkungen dieses Ereignisses.

 

Gestern haben Sie den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit verliehen bekommen - ändert das etwas für Sie?

Es ist sicherlich ein schöner Erfolg und eine Anerkennung aber wirkliche Änderungen erwarten wir uns davon nicht.

 

Ist so eine Anerkennung wichtig?

Wer hat nicht gerne Lob? Daraus wird sich aber keine Änderung unserer Arbeit ergeben.

 

Wie sehen Sie denn diese ganze Zeremonie, die Preisverleihung im Hinblick auf Nachhaltigkeit?

Diese ganzen Preise gehören irgendwie zum Geschäft der Architekten dazu.

Natürlich freut uns das, denn man bekommt ja nicht immer nur Rosen gestreut. Wir sind ein Büro, das relativ viele Wettbewerbe macht. Dazu muss man natürlich Referenzen vorweisen können. Diese Preise sind ein Teil des Ganzen, so sehen wir das.

 

Glauben Sie, dass sich durch die Preisverleihung etwas Wesentliches im Bewusstsein der Menschen verändert? Durch den medialen Wirbel?

Wir denken, dass es durchaus Preise gibt, die dazu beitragen, dass ein Verständnis für Architektur in einem größeren Umfeld geweckt wird. Etwas skeptisch bin ich schon, weil es auch viele Preise gibt, die bestimmte Lobbys bedienen. Aber dieser Preis transportiert ein Thema das wichtig ist.

 

Ich habe immer das Gefühl, dass solche Veranstaltungen Beruhigungspillen sind, Plazebos ohne Effekt.

Wir glauben schon an einen Effekt. Die Auftraggeber stehen relativ stark auf solche Preise, für ihr eigenes Selbstwertgefühl. Wenn gute Architektur Preise bekommt, dann bekommen die Auftraggeber Interesse daran, dass sie es selbst ermöglichen können, gute Architektur entstehen zu lassen. Das ist ein wesentlicher Punkt. 

Wir haben das in Langenegg /VA gesehen. Da war die Bevölkerung dem Baukörper gegenüber nicht unbedingt positiv eingestellt. Er war moderner als sie es gewohnt waren. Aber dadurch, dass dieses Projekt Preise bekommen hat, und ganze Busladungen voll Besucher gekommen sind, um es zu besichtigen, hat sich auch die Meinung der Menschen geändert. Durch die Auszeichnung ist Architektur in einer Gegend, in der sie nie ein Thema war, auf einmal zum Anliegen geworden. Es wurde zum Ziel, gute Architektur zu machen. 

 

Sie glauben also, dass durch die Anerkennung, durch ‚Brief und Siegel‘ eine Bewusstseinsänderung im Menschen geschieht? Das heißt auch, dass es solche Dinge braucht, um einen Denkprozess anzuregen?

Es hilft zumindest. Das gleiche passiert ja auch im Gewerbe- und Industriebau: Es gibt Firmen, die zeigen, dass ihnen das Image, ausgedrückt über die Architektur - ein Anliegen ist. Es ist nicht mehr die Blechbaracke, in der man sich präsentiert.

 

Man spricht immer von den vier Säulen der Nachhaltigkeit. Was bedeutet das für Sie?

Die Definition der vier Säulen sind meist nur ein Hilfsmittel. Architektur lässt sich nicht trennen in verschiedene Aspekte, sie beinhaltet eben alles. Nachhaltigkeit ist viel mehr als technische Parameter.

Ein Gebäude hat eine gewisse Beständigkeit, und das hängt mit Kultur zusammen. Es nimmt sich aus der Modernität heraus und besinnt sich auf wesentliche Wurzeln zurück. 

Wenn ich unsere Schule als Beispiel nehme: Nachhaltig wäre es dann, wenn man Schule als ein Gerüst definiert, in dem das Leben der Kinder und Lehrer stattfindet. Und wenn es eine Übereinstimmung zwischen dem was unterrichtet wird und dem Gebäude gibt, und somit eine Veränderung im Bewusstsein der Kinder stattfindet. Das hat im späteren Leben der Schüler eine Auswirkung in ihrem bäuerlichen Beruf, im positiven Umgang mit der Umwelt, der Ökologie. 

Das wäre Nachhaltigkeit!

Eine Trennung der Architektur in Bereiche der Ästhetik, Wirtschaft, Ökologie und Kultur oder Soziales ist ziemlich abwegig.

 

Können Sie Ihre Architektur durch einen Werksvortrag erklären?

Ich denke, im weitesten Sinn schon. Wir werden versuchen, unsere prinzipiellen Herangehensweisen ein bisschen herauszuarbeiten. Und zwar an Hand von konkreten Beispielen. Welches sind die wichtigen Dinge, die sich immer wieder wiederholen?

Der Ort und die Aufgabe sind die fundamentalen Dinge, die Architektur beeinflussen. Was ist das Spezielle an einem Ort?

 

Das heißt, Sie stellen bei Ihren Arbeiten einen starken Kontext zum Ort her?

Das ist natürlich ein wichtiger Punkt.

 

Wie war das bei der Schule in Altmünster (preisgekröntes Bauobjekt)?

Da hatte das Bestandsgebäude schon eine souveräne Lage. 

 

Ein typischer oberösterreichischer Vierkanthof auf einem Hang mit Blick auf den Traunsee.

Genau, und da war immer die Frage, wo stellt man die massive Erweiterung, die geplant war, hin? Vor, hinter oder neben das Gebäude? Welchen Stellenwert hat der Bestand? Uns war es wichtig, mit dem Bestand eine neues Ganzes zu schaffen. 

 

Sehen Sie sich eher als Theoretiker oder als Praktiker? Auf Ihrer Homepage sind hauptsächlich gute Beispiele zu finden.

Eher als Praktiker. Das Thema ‚Sprechen über Architektur‘ scheint mir, in der historischen Dimension, ein bisschen vermessen. Ich würde es eher als ‚Annäherung an die Architektur‘ bezeichnen. Sehr viel von dem was wir machen, ist relativ klein. 

Wir sind aber nicht nur Praktiker, weil es gibt auch ein sehr starkes theoretisches Fundament. Das äußert sich aber nicht durch die Worte, sondern durch die Wiederholung der Herangehensweise an ein Projekt. Uns interessiert sehr stark die Intention, die Richtung wohin es geht.

 

Durch diese ‚Wiederholung der Herangehensweise‘ zeigen Sie eine authentische Haltung, eine Disziplin in Richtung Kontinuität der Zeit. Das ist Ihnen wichtig?

Ja!

 

Lehren Sie auch? Ist Ihnen die Vermittlung wichtig?

Ein Lehrauftrag hat sich bis jetzt nicht ergeben.

 

Würden Sie gerne lehren?

Wenn es nicht zu viel wird, kann ich mir das durchaus vorstellen. Ich glaube, dass es nicht so einfach ist, Lehre und die praktische Arbeit unter einen Hut zu bringen. Das hat auch mit der Bürogröße zu tun - wir sind ein sehr kleines Büro. Bei großen Büros gibt es eben einen Büroleiter, der macht die Arbeit während der Chef außer Haus ist.

 

Konzentrieren Sie sich in Ihrem Büro immer auf ein Projekt, oder gibt es mehrere gleichzeitig?

Das hängt von der Größe der momentanen Projekte ab.

 

Es gibt Architekten, die sagen, dass sie prinzipiell nicht zwei Bauherrn gleichzeitig ‚bedienen‘.

Dem kann ich wenig abgewinnen. Unterschiedliche Projekt haben zwar verschieden Themen, aber die haben immer miteinander zu tun. Ein Thema, das wir entwickeln und das nicht verwendet werden kann, taucht dann eben später woanders wieder auf.

 

Diese Aussage stimmt auch mit Ihrer Aussage über die Kontinuität bei der Herangehensweise an Bauaufgaben überein.

Richtig!

 

Vorarlberg hat ja - österreichweit gesehen - ein einzigartiges Vorgehen in Energie und Nachhaltigkeitsfragen, und erneuerbaren Energien. Wieso hier? Eigentlich heißt es doch: Wien ist anders?

Es gibt mehrere regionale Initiativen, Burgenland ist bei den Windkraftanlagen sehr stark. In Vorarlberg versucht man die relativ geringen Ressourcen, die das Land hat, sinnvoll einzusetzen. Die eher sparsame und zielgerichtete Arbeit dürfte eine Eigenart der Vorarlberger sein. 

Vorarlberg hat sich durch seine Holzbauarchitektur, die sehr forciert wurde, sehr früh ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. In diesem Sog ist der Holzbau in die Ökologie transferiert worden - dafür war auch eine Offenheit vorhanden. 

 

Der Energieverbrauch steigt ständig weltweit an, auch in Vorarlberg ....

Das letzte Jahr, in Vorarlberg zum ersten Mal nicht. Es gab das erste Mal eine Stagnation, vielleicht auf Grund der Krise.

 

Was sagen Sie einem Bauherrn, wenn er Sie fragt ob sein Haus - das Sie ihm bauen -  nachhaltig werden soll?

Es ist klar, dass das eine sehr vielschichtige Sache ist.

Jeder Bauherr wird den Schwerpunkt, seinen Fokus auf andere Punkte richten. Der eine eher im Sozialen, der andere im Ästhetischen, einer in der Materialisierung oder in der Nachhaltigkeit. Ich habe den Eindruck, dass die Bauherrn ziemlich gut informiert sind. 

 

Ist da ein Umdenken zu bemerken?

Ja, einige sind soweit, dass sie bestimmte Dinge klar fordern. Das Wissen, das Bewusstsein zum Thema ist durchaus da. Energie und Ökologie sind stark verankert. 

 

Scheitert es dann eher am Geld oder an den technischen Möglichkeiten der Umsetzung?

Bei den technischen Bereichen sind die Bauherren sehr gut informiert. Durch die ganzen Förderschienen, die sehr gut funktionieren, wird das abgedeckt. 

 

Aber die Nachhaltigkeit ist eben nicht nur der technische Aspekt und die Baugesetze.

Ja eben, das ist die andere Seite. Das ist wie, wenn Sie fragen ‚was ist gute Architektur‘ - dann wird man ihnen das nicht in Worten beantworten können, das sieht man eben am Projekt. 

 

Wenn ich jetzt einmal die provokante These formuliere, dass die Architekten nicht mehr ‚Neubauen‘ dürfen, sondern sich um den Altbestand, die schon gebaute Substanz kümmern sollten. Glauben Sie, dass sie für diese Forderung ein Verständnis beim Bauherrn erreichen könnten?

Das wäre der radikale Ansatz. Wo es diese Möglichkeit gibt - macht es Sinn.

 

Für mich ist Nachhaltigkeit ein kategorischer Imperativ: Da komme ich in ein ganz anderes Denkschema hinein: nicht mehr Energiekennzahlen und ressourcenschonende Baumaterialien.

Jede Zeit, jede Anforderung braucht ihre Gebäude. Ob die durch Umnutzung oder durch Adaption erreicht werden - sie erfordern eigene Ausdrucksformen. Das ist auch das Recht jeder Zeit. Das muss absolut nicht durch einen Neubau passieren. 

Es gibt Objekte, die sich sehr gut für Adaption eignen, weil sie eine neutrale Nutzungsstruktur haben, zum Beispiel die Gründerzeitbauten. Unsere Projekte sind in den seltensten Fällen reine Neubauten, meistens Kombinationen aus Erweiterungen und Sanierungen. 

 

Ist die Etablierung der Nachhaltigkeitsfrage ein Bildungsproblem?

Wenn, dann kann sie nur über die Bildung, über die Veränderung des Bewusstseins geschehen. Über eine Veränderung der Stellenwerte, der Schwerpunkte.

 

Hat der Architekt einen Auftrag dazu? Damit sind wir wieder bei Ihrer ‚Annäherung an die Architektur‘. 

Der Architekt hat natürlich einen gesellschaftlichen Auftrag. Er muss sich bei einem Bau immer über die Rolle dieses Bauvorhabens bewusst sein, und sie reflektieren. Da krankt die Architektur mitunter, eine gewisse Bescheidenheit fehlt oft. Man nimmt Gebäude zu wichtig. 

 

Das ‚zu wichtig nehmen‘ hängt auch mit dem Bild, das der Architekt von sich erzeugt, zusammen. Manche erzeugen in der Architektur zwar Bilder aber keine Inhalte.

Richtig! Wenn man sich da eher auf das Gebäude als einen Baustein der Stadt besinnt, in seiner entsprechenden Wichtigkeit - dann ist das sicher hilfreich.

 

Damit haben Sie ja den sozialen Aspekt erwähnt. 

Ja, da sind wir bei der Kommunikation und bei der Integration gelandet. 

 

Verändert sich die Stellung des Architekten in der Gesellschaft?

Sicher nicht zum Positiven. Sie verändert sich aber permanent. 

 

Und die Aufgabe des Architekten?

Nein, die Aufgabe war immer die Gleiche, das ändert sich nicht. Architektur ist ein Ausdruck der Zeit. Die Art, wie sich das ausdrückt ändert sich, die Aufgabe bleibt gleich.      

 

Wenn Architektur ein Zeichen der Zeit ist, welche Zeit haben wir dann heute?

Das wird man in 20 Jahren leichter beurteilen können als jetzt, wo wir ja drinnen sitzen.

Man wird die heutige Zeit schon als eine Zeit der Besinnung auf Nachhaltigkeit sehen, aber deren Entstehung geschieht eher aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten als aus Überzeugung. Wir sind in einem Umbruch, der sich zwangsläufig auch auf die Architektur auswirkt.

 

ZV Fink Thurnher

Josef Fink und Markus Thurnher – Studium der Architektur in Innsbruck bei Josef Lackner,

Leopold Gerstel und Othmar Barth.

Das Architekturbüro Fink Thurnher besteht seit 1994 mit Sitz in Bregenz und beschäftigt derzeit

4 Mitarbeiter.

Die Beauftragung der realisierten und in Bau befindlichen Projekte erfolgte überwiegend nach

Wettbewerbserfolgen. Die Aufgaben sind so unterschiedlich wie die Standorte der Projekte.

Die Projekte entwickeln wir in Zusammenhang mit dem Programm der Nutzer und aus den speziellen

Einflüssen des Ortes und seines Umfeldes. Die formalen Ansätze und die Materialwahl werden stets

neu aus der Logik der Bauaufgabe entwickelt. Schonender Einsatz der Ressourcen und ein hoher

ökologischer Anspruch sind uns selbstverständlich.

 

William Knaack