Brian Cody

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Professor Brian Cody ist Universitätsprofessor an der Technischen Universität Graz und leitet dort seit 2004 das Institut für Gebäude und Energie. Sein Schwerpunkt in Forschung, Lehre und Praxis gilt der Maximierung der Energieperformance von Gebäuden und Städten. Vor dem Ruf nach Graz war er Associate Director des weltweit operierenden Ingenieurbüros Arup. Er ist Gründer und Inhaber des Beratungsunternehmens ENERGY DESIGN CODY, das an der Entwicklung von innovativen Klima- und Energiekonzepten für Bauprojekte weltweit beteiligt ist. Cody ist Mitglied in zahlreichen Beiräten und Gastprofessor an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.

 

architektur sprach mit ihm über das Thema der Energieeffizienz und des ‚Energy Designs’.

 

Herr Prof. Cody, Sie mischen in der Architekturszene in Graz ganz gehörig mit, Sie unterrichten Architektur. Wie definieren Sie sich selbst? 

Mein Interesse in Forschung, Lehre und Praxis gilt der Maximierung der Energieperformance von Gebäuden und Städten und der interdisziplinären Konzeption von Architektur- und Urban Design-Projekten, welche durch Optimierung ihrer Form, Struktur und Konstruktion inhärent hoch energieeffizient sind. Neben der Lehre und der Betreuung von Diplomarbeiten und Dissertationen führen wir am Institut für Gebäude und Energie an der TU Graz auch Grundlagen- und drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte durch. Die drittmittelfinanzierten Projekte haben dabei zum großen Teil durchaus Grundlagenforschungscharakter. Jedoch ist es mir wichtig in der privilegierten aber auch verantwortlichen Position als Vorstand eines universitären Instituts, auch Ideen formulieren und entwickeln zu können, die weder an reale Bauprojekte direkt gekoppelt sind noch vom Drittmittel finanziert werden; das sind pure Grundlagenforschungen, die hoffentlich entscheidende Impulse für die Zukunft liefern können.

 

Bauen Sie auch?

Natürlich. Die in der Grundlagenforschung entwickelten Ideen und Impulse ständig in der realen Welt des Bauens im Rahmen von realen Bauprojekten zu implementieren, ist für die weitere Entwicklung des Fachgebiets in Lehre und Forschung von essentieller Bedeutung. Auf der anderen Seite ergeben sich häufig gerade unter den Bedingungen der „realen“ Welt in Zusammenarbeit mit Architekturbüros entscheidende Fortschritte und durch diese interdisziplinäre Kollaborationen und die Synthese der vielfältigen Komponenten in einem holistischen Entwurfsprozess entstehen innovative Gesamtkonzepte. Diese Erfahrungen fließen wiederum zurück in die Forschung wie in die Lehre auch. Die Rolle meines Büros in dieser Kollaboration in der Praxis ist die des Konsulenten für Energy Design. 

 

Was darf man unter dem Begriff „Energy Design“ verstehen?

Das Energy Designeines Gebäudes beinhaltet die Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Ausnutzung der instationären Energieflüsse im Umfeld des Gebäudes. Einerseits um optimale thermische, licht- und lufttechnische Konditionen im Gebäude herzustellen und andererseits, um darüber hinaus nutzbare Energie zu erzeugen, welche sowohl im Gebäude selbst verwendet als auch ins städtische Umfeld des Gebäudes exportiert werden kann. Das übergeordnete Ziel ist die Maximierung der Gebäudeenergieperformance und die Entwicklung von zukunftsfähigen Gebäuden. Es geht dabei primär um das „entstehen lassen“ eines optimalen Innenklimas mit behaglichen thermischen, raumklimatischen, akustischen, luft- und lichttechnischen Qualitäten und weniger um die Planung der Geräte und Anlagen, welche u. U. eingesetzt werden, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Das Energy Design von Gebäuden in der Praxis ist ein Entwurfsprozess ähnlich dem des Architekturentwurfprozesses: Es werden mittels der Gestaltung der unsichtbaren Energieflüsse innerhalb und außerhalb des Gebäudes statt Räumen Raumklimata als primäre Entwurfsziele dargestellt.

 

 

Muss der Architekt zum ‚Vordenker der Nation’ werden? Indem er neue Gedanken in die Diskussion einbringt?

Ja, wenn man sich die Größenordnung des Anteils am weltweiten Energieverbrauch, welcher auf Gebäude zurückzuführen ist, vor Augen führt, und zwar vor dem Hintergrund der dringenden Notwendigkeit, diesen drastisch zu reduzieren. Reduziert werden muss er aus den bekannten Gründen - Erschöpfung fossiler Energieressourcen, Reduzierung der durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen verursachten ökologischen Probleme sowie der immer häufiger aus der Unsicherheit der zukünftigen Energieversorgung zutage tretenden geopolitischen Probleme. Da realisiert man rasch, dass die Architekten eine große Verantwortung tragen. Und aber auch, dass die Lösung dieser Fragen ein noch nie da gewesenes Potential, die gesellschaftliche Relevanz der Architektur- und Ingenieurdisziplinen sowie die des Bauwesens allgemein gegenüber dem heutigen Stand wesentlich zu erhöhen, in sich birgt.

 

Ihr Leitsatz „Form follows energy“ ist für die Architekten ein provokativer Satz. Er verlangt ja neue ‚ästhetische’ Parameter für die Gestaltung von Architektur. Schränkt er sie in ihrer Kreativität ein? 

Eine zentrale Fragestellung in der Architektur, die sich zunehmend stellt, ist die Beziehung zwischen der Energieperformance von Gebäuden und Städten und deren Form.

Form im Sinne von Formensprache - das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes im Allgemeinen und die architektonischen Elemente und Ausdrucksmittel, die dieses bestimmen. 

Form jedoch auch im Sinne der geometrischen Konfiguration des physikalischen Objekts "Gebäude" bzw. des physikalischen Gebildes "Stadt". Finden die vielseitigen Aspekte der Energieperformance im Formfindungs- beziehungsweise Entwurfsprozess Eingang, ergeben sich sowohl neue Formsprachen als auch neue Formen in der Architektur. Ich bin der festen Überzeugung, dass die dringend notwendige Erhöhung der Energieperformance zu einer neuen Ästhetik, zu neuen architektonischen Qualitäten führen kann.

 

Nachhaltigkeit definieren Sie ja etwas anders, bzw. weitreichender und grundsätzlicher als es üblicherweise verstanden wird. Bitte erklären Sie Ihre Definition. 

Nachhaltigkeit als Begriff ist mir zu konservativ. Das alles nur erhalten bzw. gleich halten zu wollen ist mir zu wenig. Vielleicht ist das nicht mehr modisch aber ich glaube an den Nutzen von Wissenschaft und Technologie und den dadurch erreichbaren und dringenden notwendigen Fortschritt. Ich bin davon überzeugt, dass wir die bereits erwähnten Herausforderungen bewältigen, aber gleichzeitig die Lebensqualität für viele Menschen sowie die Qualität unserer gebauten Umwelt dabei entscheidend verbessern können. High-Performance-Buildings sind meiner Ansicht nach als Triade aus minimiertem Energieverbrauch, optimalem Raumklima und hervorragender architektonischer Qualität zu begreifen. Building Energy Performance ist die Minimierung des Energiebedarfs eines Gebäudes bei gleichzeitiger Erreichung optimaler Konditionen in dessen Räumen und drückt die Energieeffizienz eines Gebäudes aus. Der Begriff „Energieeffizienz“ wird heute leider gerade im Bereich des Bauwesens häufig falsch verstanden und die Erhöhung der Energieeffizienz mit einer Senkung des Energiebedarfs verwechselt. Energieperformance bzw. -effizienz ist jedoch das Verhältnis zwischen Output (Nutzen) und Input (Ressourcen). Es geht darum, welchen Nutzen man aus der „verbrauchten“ Energie zieht. Im Zusammenhang mit der klimatischen Performance von Gebäuden ist die Energieeffizienz als Verhältnis zwischen der Qualität des Raumklimas und der Quantität des Energiebedarfes zu begreifen. Bisherige Instrumente zur Regulierung der Energieeffizienz von Gebäuden beschäftigen sich lediglich mit Energiebedarf und nicht mit Energieeffizienz. Am meinem Institut in Graz haben wir die BEEP-Methode (Building Energy and Environmental Performance) entwickelt, mit der die tatsächliche Energieeffizienz eines Gebäudes festgestellt werden kann, sodass verschiedene Entwurfsoptionen wirklich miteinander verglichen werden können. Ergebnisse von Fallbeispielen, die mit dieser Methode untersucht wurden, zeigen eindeutig, dass niedriger Energieverbrauch mit einer hohen Energieeffizienz nicht gleichgesetzt werden kann. Das heißt, die ersten zwei Parameter der Triade können mittels dieser Methode kombiniert und objektiv ermittelt werden. Dies ist ein entscheidender Fortschritt gegenüber dem heutigen Stand. Der dritte Parameter kann und muss jedoch ebenfalls evaluiert werden; natürlich jedoch nicht mit einer Zahl. Aber gerade dieser Aspekt hat im Namen des sogenannten energiesparenden Bauens in den letzten Jahren gelitten und dies ist eine Entwicklung, die wir uns nicht leisten können. Wenn man den Begriff der nachhaltigen Entwicklung ernst nimmt, muss man einsehen, dass mit einer solchen Entwicklung ein Verlust an der architektonischen Qualität unserer gebauten Umwelt nicht einhergehen darf.

 

 

Wie und was versuchen Sie ihren Studenten zu vermitteln? 

Oscar Wilde soll gesagt haben "Education is a wonderful thing, provided you always remember that nothing worth knowing can ever be taught." Ich glaube, dass das Wesentliche, das man an einer Universität lernt, autodidaktisch erfolgt. Denn nur das Wissen, zu dem man über eigenständiges Denken gelangt, hat einen nachhaltigen Wert. Insofern sehe ich meine Rolle in der Lehre, den Rahmen dafür zu schaffen, in dem dieses Denken ermöglicht und ermutigt wird; Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen und gewissermaßen auch zu inspirieren. Mein Ziel ist es, nicht bloßes Wissen zu übermitteln, das zur Lösung eines bestimmten Problems dient, sondern vielmehr Ansätze aufzuzeigen, die durch ihre Anwendung verinnerlicht werden können, und die es dem Studierenden ermöglicht, immer wieder in zukünftigen neuen Situationen Lösungen zu finden. Der Kern des Fachgebiets „Gebäude und Energie“ besteht in der Interaktion zwischen Mensch und Gebäude einerseits und zwischen Gebäude und Umwelt andererseits. Die Gebäudehülle fungiert dabei als Filter. Ein Grundwissen in den Gesetzen der Physik wird anhand realer Situationen, so wie sie in der Interaktion zwischen Umwelt, Mensch, Gebäude und Gebäudesystemen vorkommen, erlernt. Der Studierende lernt diese Interaktion zu verstehen, ohne dass er dabei die mathematischen Hintergründe verstehen muss. Vielmehr wird ein „Gefühl“ entwickelt, das es dem Studierenden ermöglicht, die Interaktion und Zusammenhänge zu verstehen und zu bewerten. Anhand von Beispielen und einfachen Analysen wird Erfahrung und dadurch Intuition angeeignet. Später werden Case Studies und Analysen von zeitgenössischen Projektbeispielen herangezogen, um das Erlernte noch auszuweiten und zu vertiefen. Es wird eine Neugier für die Dynamik der raumklimatischen Prozesse in Gebäuden erweckt. Die Antworten werden durch die Entwicklung der Intuition und das Gefühl für diese Prozesse ermöglicht. Dieser soll keinen in sich abgeschlossenen Prozess darstellen, sondern den Anfang einer andauernden Denkweise ins Leben rufen, die den Architekten durch das ganze Berufsleben begleiten soll. Projektarbeit und das Lernen am Entwurf ist ein wesentlicher Bestandteil der Lehre. Aus meiner Erfahrung in Praxis, Wettbewerbsjurys und Beiräten sind zwei Strömungen bezüglich des Umgangs mit Energieeffizienz im Bauwesen aktuell auszumachen, die in der Kombination zu einer für die weitere Entwicklung der Architektur gefährlichen Mischung führen können: Auf der einen Seite Bauherren und Behörden, die sich immer mehr zu strengen deterministischen Auflagen hinbewegen und Maßnahmen vorschreiben, statt eine Leistung/Performance zu verlangen. Und auf der anderen Seite eine wachsende Zahl an Architekten und Planer, die nach konkreteren Vorgaben und Regeln verzweifelt rufen. Es ist mir ein Anliegen, die ArchitektInnen von morgen mit der Fähigkeit auszustatten, kritisch über diese Fragen reflektieren zu können.

William Knaack