FUTURE LAP

MENSCH ODER EURO 

„Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.“

 

Stadt ist für mich kein Agglomerat von gebautem und nicht gebautem Raum, von Negativ- und Positivräumen, sondern in erster Linie ein Ort der Menschen. Die - beim Symposium Camillo Sitte / Smart City so gern und oft gebrauchten - Begriffe wie Stadtbaukunst, Raumqualität, Planungskultur sind allesamt in ihrem Wortsinn mit dem Menschen verbunden: Kunst und Kultur werden von Menschen gemacht. Raum kann nur mit und durch ihn entstehen. Doch - entgegen der etymologischen Bedeutung - spielte der Mensch bei den meisten Ausführungen nur als messbarer, katalogisierbarer und rationell fassbarer Faktor für Planung, Wirtschaft und Politik eine Rolle. Es stellt sich die Frage, ob eine Stadt im Sinn einer optimierten, Smart City- die ja in erster Linie ein Produkt neuer (smarter) Technologien ist - noch menschenkonform sein wird. Wird vielleicht in der Diskussion um die Zukunft dieser Vision - durch die Überflutung des Diskurses mit unzähligen Kombinationen der Begriffe smart, urban, transformation, marketingund weiterer Anglizismen wie Smart Grid‚ Smart Meter, Smart Urban Logistic, Global Urban Future, Smart Mobility- eine Verwischung der Tatsache erzielt, dass es hier nur noch um Geld und weniger um Menschen geht? 2019 sollen in Österreich bereits knapp 95% der Haushalte mit intelligenten Stromzählpunkten (Smart Meters) ausgestattet sein - so es nach dem Willen der E-Wirtschaft, Industrie und Politik geht. Die Umrüstung vom normalen Stromzähler auf den Smart Meter berappt der Konsument, Firmen wie Siemens, Kapsch, Landis+Gyr, etc. verdienen sich eine goldene Nase damit. Denn die effektive Stromersparnis wird laut einem Feldversuch des Fraunhofer Institutes marginal, wenn überhaupt sein. Nebenbei öffnen das Smart Grid und der ‚intelligente‘ Zähler dem allseits gefürchteten Datenmissbrauch Tür und Tor. Im Gemeindebau schalten sich dann um 0315 mit einem Schlag - ferngesteuert - alle Waschmaschinen und Geschirrspüler ein und die Kühlschränke werden nach abgelaufenen und fehlenden Lebensmitteln durchforstet. Ach ja, es wird auch gleich nachbestellt und um 0755 steht die frische Milch vor der Haustüre - also ich möchte nicht, dass ‚Big Brother‘ weiß, was in meinem Kühlschrank alles vergammelt. Stadtraum ist mehr als das Ergebnis gegenständlicher Erkenntnis und funktionalen Handelns. Er wird und muss auch wahrgenommen werden. Raumwahrnehmung kann man nach unterschiedlichen Modellen betrachten: Erstens, als hodologischen Raum (Otto Friedrich Bollnow), der sich auf faktisch-topologischen, physischen, sozialen, emotionalen und psychologischen Bedingungen aufbaut und auf dem Weg von A nach B erlebt wird.  Das zweite Modell ist der mathematische Raum, als ein rationeller, mit Zahlen fassbarer und berechenbarer Raum. Als drittes Modell dräng nun die digitale Stadt auf das Podium: Begegnungen, Kommunikation finden hier nicht mehr real an Orten und öffentlichen Plätzen, sondern - dank der Medien und Technik - überall und gleichzeitig statt. Damit wird der dystopischen Entwicklung einer Ortlosigkeit Vorschub geleistet und wir unterliegen einem Optimierungsdiskurs - ungeachtet der Möglichkeiten, die sich durch die Technologie des Virtuellen bieten könnten. Wir vertrauen uns einer digitalen, smarten Macht an. Die Selbstständigkeit des Bürgers, des Stadtbewohners - auch im Denken(!) - geht verloren. All die Technologien (Smart Meter, Smart Grid, diverse Apps etc.), die scheinbar unabdingliche Bestandteile einer Smart City sein sollen und werden, richten sich möglicherweise und letztendlich gegen uns selbst. Also ich wünsche mir im Sinn einer inzidenten Architektur (wie sie auch Günter Feuerstein vertreten hat) keine optimierte, enhanced Cityder smarten Technologien mitSmart Citizens, sondern eine Stadt mit Menschen, mit allen Fehlern und Schwächen die eine Stadt eben ausmachen. Denn das macht sie lebens- und liebenswert!

William Knaack