Pedro Gadanho

WHERE DO WE GO TO?
WHERE SHALL ARCHITECTS GO TO?
WHERE DOES ARCHITECTURE GO TO?

 

Pedro Gadanho ist gebürtiger Portugiese, Architekt, Autor und Kurator für Moderne Architektur im Museum of Modern Art (MoMA) in New York sowie ehemaliger Professor an der Fakultät für Architektur in Porto. Peter Reischer sprach mit ihm im Rahmen der Globart Academy* in Krems/Österreich über die Generation Y und die Zukunft der Architektur

 

Welchen Rat geben Sie der nächsten Generation Architekten, der „Generation Y“?

Denkt nicht einfältig, sondern seid vielfältig, nehmt die Architektur als Grundstock der Erkenntnis, die verschiedene Ergebnisse und Positionen erzeugen kann – betrachtet sie nicht nur als Manifestation von Formen, Stilen und Gebäuden. Das ist die Richtung, in der es zu denken gilt.

 

Glauben Sie, dass sich das Image des Architekten ändern wird, dass sie sich selbst neu organisieren müssen?

Ja, das denke ich. Architektur muss ein vermittelnder Beruf werden. Und zwar zwischen dem spezialisierten Wissen einerseits und andererseits dem Bedürfnis von Gemeinschaften, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Statt einer „Top-down“-Planung werden die Architekten mit Teilen der Gesellschaft an ganz praktischen Aufgaben zusammenarbeiten. Aber nicht in der traditionellen Architekt-Kunde-Beziehung, sondern eher in einem vermittelnden Prozess. Ich bezeichne das als „Design Intelligence“ – da geht es nicht um Kunden, sondern um Menschen. Da kann es zum Beispiel um öffentliche Räume gehen oder die Wiederbelebung eines Platzes für ein Gemeindezentrum. Eine neue Art der „grassroots movement“.

 

Etwa auch neue Funktionen in alte Räume bringen? 

Genau. Normalerweise arbeiten Kuratoren wie ich mit Objekten und Ideen. Ich bin aber an der Umsetzung interessiert. An der Art, Dinge zu tun. Es geht auch darum, wie der Kontext die Art des Handelns definiert und modelliert. Architektur verliert immer mehr die Visionen, weil sie in etwas, das erwartet wird, transformiert wird. Die Produktion von Kultur erzeugt aber Risse, Brüche mit der Vergangenheit, neue Ideen und Reflexionen und ich glaube, Architektur sollte Teil dieser Vorgänge sein und als solcher, auch ein Teil der materiellen Produktion.

Architektur soll eine kritische Aktivität sein – genauso wie Künstler mit ihrer Arbeit die Realität kritisch reflektieren. 

Architekten können zum Beispiel die Verweigerung des Bauens in Betracht ziehen. Wenn sie Fragen der Umwelt oder der Politik einbeziehen. Ich habe darüber mal einen Text geschrieben – keine Zeitung wollte ihn publizieren. Sein Titel war: „Stop Building!“

 

Architekten verbieten, neue Gebäude zu errichten?

Ja, Architekten sind die ersten, die von Bauvorhaben hören, auch die ersten, die neue Strömungen ‚erfühlen‘, daher sollten sie auch die ersten sein, die der Gesellschaft sagen, „Hört auf zu bauen!“ Hört auf, neues Bauland zu erschließen, befasst euch mit der Revitalisierung, Sanierung, Erneuerung.

 

Wir haben ja auch bereits jede Menge leer stehenden, gebauten Raum ...

Das ist besonders in Europa ein Problem. Die Bevölkerungszahlen gehen hier ja zurück, es gibt keinen wirklichen Zwang, neu zu bauen. Und das führt wieder zu dem Punkt, dass Architektur eine Art Kulturproduktion ist. Das kann sie aber auch durch reine Ideen sein, durch andere Aktionen als das Bauen.

 

Aber warum fördert die Politik dann das Bauen immer weiter?

Weil die Menschen ihren Abdruck hinterlassen wollen. Sie wollen sich durch Architektur verwirklichen, ausdrücken. Ich habe das im MOMA mit der Ausstellung „Ways of Being Political“ gezeigt: Sie hat alle Arten des politischen Ausdrucks durch Architektur behandelt. Einzige Ausnahme war – die Repräsentation der Macht. Die Ausstellung hat bewusst vermieden, die typische Architektur der Macht, der Ideologien zu zeigen.

 

Wie kann Architektur aussehen, die keine Macht und kein System repräsentiert?

Nun, indem man erklärt, wie man politisch sein kann, wie man sich einbringen kann – die ursprüngliche Idee der Polis. Wir sind immer – wenn wir uns in der Stadt bewegen – auch politisch. Eine Idee, die wir in der Ausstellung gezeigt haben, war etwa, dass Architekten gegen die Hand, die sie füttert, arbeiten könnten und so eine institutionelle Kritik und einen Ikonoklasmus erzeugen. Ich habe Arbeiten von Hans Hollein gezeigt – der war ein Ikonoklast, ein „Bilderstürmer“. Das sollten die Architekten heute mehr tun, um Kritik an den Vorgängen in der Gesellschaft aufzuzeigen. Statt alle Aufträge mit dem Argument, ökonomisch überleben zu müssen, oder „sonst baut es jemand anderer“, anzunehmen.

 

Da stellt sich die Frage nach dem moralischen oder ethischem Rückgrat der Architekten...

Ich habe in der Ausstellung auch das „utopische Denken“ dargestellt. Illustriert mit Arbeiten von Archigram, Superstudio und anderen Gruppierungen der 1960er Jahre. Das war damals eine fundamentale Kritik an der Art, wie wir heute in den Städten leben. Heute betrachtet man diese Arbeiten als interessante formale Ideen; dabei wird übersehen und vergessen, dass diese Entwürfe extrem politisch waren.

 

Glauben Sie, dass heute Architekten noch soziale Visionen haben?

Sie werden dazu gezwungen sein, wieder Visionen zu haben, speziell in Europa, und zwar durch den Sparkurs. Ich nenne das eine Wieder-Verarmung (re-impoverishment). Ich sehe das bei den jungen arbeitslosen Architekten in Spanien: Die müssen Dinge anders machen, weil sie keinen Zugang zum traditionellen Markt haben. So mieten sie sich als Kollektiv einen großen leeren Raum in der Stadt und machen Architektur, sie erfinden eine neue Art der Praxis.

 

Als eine Art der Non-Profit-Tätigkeit?

Ja. Sie sind gezwungen, eine neue Art der Berufsausübung zu finden. Das entsteht aus einer sozialen oder politischen Vision, aber auch aus einer Ablehnung der traditionellen Kooperationsverhältnisse.

 

*  Globart Academy lädt Visionäre ein, um zu zeigen, wie und wo es weiter gehen kann. Sie zeigt Best Practice Beispiele und künstlerische Interventionen. Das diesjährige Thema war: How far can we go?

William Knaack