Feyferlik / Fritzer

KLEINE DINGE KÖNNEN AUCH ETWAS VERÄNDERN.
 

Über das Verhältnis zwischen Bauherr und Auftraggeber, über die oftmals schwierigen Bedingungen der Kommunikation führte Peter Reischer mit dem Architektenpaar Feyferlik&Fritzer folgendes Gespräch.

 

Sind Sie eher Optimisten oder Pessimisten?

Wir sind beide grundsätzlich Optimisten aber auch Realisten.

 

Warum findet man im Internet so wenig über Sie?

Wir haben keine eigene Homepage. 

 

Was ist der Grund dafür?

Es gibt zwei Gründe. Einer ist, eine Homepage aktuell zu halten bedeutet einen Aufwand, den wir für uns nicht in Anspruch nehmen wollen. Der Inhalt einer Homepage stellt ein zu schmales Fenster dar, um etwas mitzuteilen. Der Aufwand ist zu groß, für das was wir zu bieten haben. 

Der zweite Grund ist der, dass wir das Internet nicht als Verkaufswerbebanner sehen. 

Das Einzige, wo wir relativ viel Zeit aufwenden ist die steirische Internetseite ‚www.gat.st‘, das ist eine Plattform die wir, zusammen mit Lotte Pöchacker und Gerhard Mitterberger, ins Leben gerufen haben, um eine Möglichkeit für die steirische Architekturszene zu bieten. Die Zeit ist hier nutzbringender als auf der eigenen Homepage verwendet.

 

Was ist für Sie Architektur?

Die Arbeit, die man macht, ist das Ausdrucksmittel für die Architektur.

 

Ist das das Essentielle?

Ja, das ist es. Wenn ich nicht geübt bin, darüber zu sprechen dann falle ich zurück in einen Werksvortrag.

Man versucht natürlich, das was man macht zu erklären. Aber wenn man keinen theoretischen Unterbau hat und das auch nicht für so wichtig hält, dann kann man das nur an Hand des Projektes tun. Man kann natürlich auch andere Projekte einbauen um zu erklären, was man prinzipiell über Architektur denkt. 

 

Sie reflektieren ja auch über Architektur. Im Internet findet man, ein ‚Mission Statement‘, einen Leitsatz über Ihre Arbeit. „Wenn ich jemandem ein Haus plane, habe ich dann das Recht in sein Leben und in seine Zukunftsplanung einzugreifen? Wir sind der Meinung ,ja‘, denn es geht doch auch darum, dass mit diesem Haus ein ,Reibebaum‘ entsteht, der ihn täglich sein bisheriges Leben in Frage stellen lässt. Es gibt natürlich keine Garantie dafür, ob daraus gelernt wird.“ Sind Sie da nicht ein bisschen zu blauäugig, den Charakter und die Lernfähigkeit der Menschen betreffend?

Dieser Satz steht in einem Gegensatz zu Loos, der gesagt hat, „Das Haus hat der Bequemlichkeit zu dienen“. Wenn ich den Glauben an die Lernfähigkeit des Menschen verliere, müsste ich den Glauben an alles weitere auch aufgeben. Aber ich denke, dass wenn man Architektur macht, wenn man mit anderen Menschen zu tun hat, man dieser Tatsache zwar kritisch aber grundsätzlich positiv gegenübertreten muss. So sehen wir auch den Planungsprozess.

 

Was ist der ‚Gesamtauftrag‘ - von dem Sie sprechen - in der Architektur für Sie?

Ich hatte noch während des Studium mit Hubert Wolfschwenger einen Wohnbauwettbewerb gewonnen. Wir sind dann mit Teilen beauftragt worden - viel Aufwand und Engagement und wenig Effizienz in der Ausführung. Als unser Projekt in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung behandelt werden sollte, wollten wir als normale Bürger an dieser Diskussion teilnehmen, als man uns sah wurde die Sitzung kurzerhand in eine geschlossene, nicht öffentliche Diskussion geändert. Da habe ich mir geschworen, nur mehr zu bauen, wenn ich den Gesamtauftrag bekomme. Das betrifft die Büroleistungen und die örtliche Bauaufsicht. Es ist nicht aus wirtschaftlicher Sicht wichtig überall dabei zu sein, sondern dadurch hat man eben die Möglichkeit, bis zum Schluss steuernd einzugreifen, zu korrigieren. Ab einer gewissen Größenordnung geht das natürlich nicht - da muss man rechtzeitig erkennen, wann und wo man agieren will und muss. Man sollte aber bis zum Schluss kompetent beraten können, das bringt ein hohes Maß an Nutzerzufriedenheit mit sich.

 

Spricht diese Auffassung des Gesamtauftrages nicht für den Architekten als Totalunternehmer?

Nein, ich halte die in Österreich noch existierende Trennung zwischen Ausführung und Planung für essentiell und richtig.

 

Sie haben einmal die Aussage gemacht: „Ein Architekt darf kein reiner Dienstleister sein, sondern soll seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung entsprechend, seinen Einfluss geltend machen.“

Welches ist die gesellschaftspolitische Verantwortung des Architekten?

Die ist vielschichtig. Sie soll nicht als reine Dienstleistung den Bauauftrag erfüllen. Bei einer Schule zum Beispiel, muss die Bildungsdiskussion berücksichtigt werden - wo geht die Reise in den nächsten 20 Jahren hin? Solche Fragen müssen - unabhängig von der reinen Bauaufgabe - gestellt werden und auch die Arbeit beeinflussen dürfen.

Beim Einfamilienhaus gibt es nicht viel, aber steter Tropfen höhlt den Stein: Die 100%ige Bequemlichkeit der Wegführung von der Garage zum Haus ist zu hinterfragen. Es soll ein Bewusstsein für andere Lösungsmöglichkeiten geschaffen werden.

 

Wollen Sie da das eigenständige Denken des Bauherrn provozieren, herausholen?

Es ist für uns wesentlich, dass die Bauherrn aktiv ihren Part an der Planung mitmachen. 

 

Welches ist die soziale Verantwortung des Architekten? Hat der Architekt eine soziale Verantwortung?

Als Mensch hat er sie immer. Als Architekt hat er einen sehr komplexen Beruf. Er kann sehr viel zerstören und auch sehr viel bewirken. Diese Grenzen wahr zu nehmen, ist für uns die soziale Verantwortung.

 

Sie trennen nicht zwischen Mensch und Architekt?

Jeder der einen kreativen Beruf hat, hat eine soziale Verantwortung.

 

Welches ist die kulturelle Verantwortung des Architekten?

Wir müssen unserer Zeit entsprechend denken und arbeiten, aber die Geschichte die uns begleitet, dürfen wir nicht negieren. Das ist eine große Verantwortung und eine Gratwanderung. Es ist meine Aufgabe, die Qualität des Vorhandenen zu erkennen und damit umzugehen.

 

Wo in Österreich sprechen jetzt die Architekten über solche Themen?

Eine Gegenfrage: Wissen Sie in Europa überhaupt einen Ort, wo darübergesprochen wird?

 

Ist es nicht wichtig darüber zu sprechen?

Wenn man Architektur heutzutage ausspricht, spricht man meist von einer Spezialdisziplin. Es gibt natürlich Unterbegriffe, die notwendig sind um überhaupt darüber sprechen zu können. Aber ich kann nicht zwischen einem nachhaltigen, einem ökologischen, einem wirtschaftlichen und einem architektonischen Bauwerk unterscheiden. Diese Unterscheidung kenne ich nicht. Ich kenne nur das architektonische Bauwerk, und das sollte diese und jene Facetten auch erfüllen - und alles zusammen ist Architektur. 

So gesehen ist Sprechen über Architektur ein Auftrag, eine Verpflichtung.

 

Wollen Sie mit Ihrer Architektur etwas verändern?

Wir haben kein derartiges ‚Sendungsbewusstsein‘ in uns. Es gibt aber Leute, die glauben 100% daran, dass das was sie tun, gut ist. Und die das auch vermitteln können. Dieses Gefühl habe wir nicht in uns.

Wir hoffen, dass die Zeit, der Planungsprozess den man mit jemandem gemeinsam geht - das sind in der Regel zwischen 2 bis 4 Jahre - so inhaltsreich war, dass es wert war ihn gemacht zu haben.

 

Wie sehen Sie die Rezeption des Architekten in der Gesellschaft? Ist die falsch?

Nicht falsch, aber durch diverse Soapoperas oder Fernsehkrimis wird schon ein sehr klischeehaftes Bild des Architekten in der Gesellschaft gezeichnet. Unter dem am Bauen fachlich involvierten Personenkreis wird er sehr oft als Dienstleistungsempfänger gesehen. Wir Architekten nehmen für uns in Anspruch, dass wir die Einzigen sind, die komplex denken können. Wenn es dann um die eigenen Projekte geht - dann lässt das sehr oft aus. Beim Wohnen ist es wie beim Fußball - da glaubt sowie so jeder mitreden zu können, es zu verstehen. Das Tätigkeitsfeld ist sehr weit und die einzelnen Positionen sind sehr unterschiedlich, dadurch ist auch das Bild der Verantwortung des Architekten ein immer unklareres, so gesehen ein Imageproblem.

 

Was halten Sie von der Aufforderung an die Architekten, politischer zu werden?

Überregional tönen die meisten Architekten sehr laut, aber regional halten sie den Mund. Auch auf Grund des Druckes, der meist finanziell auf ihrem Büro lastet. Das Hemd ist jedem eben näher als der Rock.

Das kritische Hinterfragen, zum Beispiel der Aufgabenstellung bei Wettbewerben, wird immer weniger und ist letztendlich auch unerwünscht, da ist man dann gleich der ‚Unangenehme‘. Das ist erschreckend. Wenn ich etwas nicht weiß und unsicher bin, dann frage ich eben. Wenn dann die Antwort von der Ausloberseite her verweigert wird, brauche ich ja die ganze Veranstaltung nicht zu machen.

 

Wie gehen Sie heute mit Ihren bereits gebauten Projekten um. Sind das ‚Altlasten‘ oder bekennen Sie sich dazu? 

Zum Teil sanieren wir sie auch. Manchmal habe ich das Gefühl, besser wäre es, Hausmeister zu sein. Wir haben mit fast allen Nutzern ein positives Verhältnis. Gerade im Einfamilienhausbau haben wir immer die Lust am Ausloten, am Grenzgängerischen gesehen. Gott sei Dank sind die Bauherrn immer mitgegangen. Wir würden es auch nicht zusammenbringen, zu sagen: „Das geht uns heute nichts mehr an!“ 

Wir sehen auch die diversen Veränderungen durch die Benutzer in keiner Weise ‚wehmütig‘. 

 

Interessieren Sie heute noch Aufträge für Einfamilienhäuser?

Immer wieder, obwohl das etwas ist, das man als Architekt und verantwortungsbewusster Planer eigentlich nicht machen sollte. 

 

Wie gehen Sie mit dem Wissen, dass ein Einfamilienhaus absolut unökologisch, nichtnachhaltig ist, um?

Das ist eine ziemliche Schere: Da kommt vielleicht die Lust, eine spannende Arbeit zu haben stärker durch als die Verantwortung eine Wiese nicht zu bebauen. Dieselbe Lust, die uns Menschen dazu bringt ein iPad oder irgend ein anderes Gadget zu kaufen. Vielleicht gehört das zur gesamten Menschheitsgeschichte dazu, und wir können das einfach nicht davon abtrennen?

Wir können natürlich dem Einzelnen nahe legen, auf das Auto zu verzichten. Aber vorschreiben können wir das nicht. Wir halten es für völlig wahnwitzig, einem Haus einen Architekturpreis für seine ökologischen Nullenergiequalitäten zu verleihen, und dann stehen in der Garage drei SUVs. 

 

Glauben Sie, solches Handeln durch Beratung und Gespräch verhindern zu können?

Das ist auch mit dem ‚Reibebaum‘ beim Einfamilienhaus gemeint: Dinge in Frage zustellen, gemeinsam mit dem Bauherrn. Man kann solche Dinge aber nicht ‚päpstlich‘ verordnen. 

Wir haben zum Beispiel, nie zwei Häuser gleichzeitig gebaut. Man kann nicht zwei Familien gleichzeitig bedienen. Manche Bauherrn haben dann eben auf uns gewartet, manche nicht. 

 

Wie sehen Sie das Verhältnis Ökologie und Architektur?

Im Prinzip passt das zusammen. 

 

Und Architektur und Nachhaltigkeit? 

Das darf niemals nur auf die technische Nachhaltigkeit, auf den Energieverbrauch fixiert gesehen werden.

Leider steht das immer so in den Ausschreibungen drinnen. Die soziale, kulturelle Komponente der Nachhaltigkeit wird oft vernachlässigt.

 

Wolfgang Feyferlik

* 1957; Architekturstudium TU Graz.

1983-93 Wohnbau „Solo“, Deutschlandsberg (Wettbewerb 1.Preis, mit Hubert Wolfschwenger); 1996-2000 Veterinär- und Zollstation Spielfeld (Wettbewerb 1.Preis)

 

Susi Fritzer

* 1967; Architekturstudium TU Graz, Städelschule FFM

2000-2007 Studienfunktionales Zentrum der RWTH Aachen, Wettbewerb (1.Preis, mit Eva-Maria Pape).

 

Feyferlik / Fritzer (Zusammenarbeit seit 1994)

Bauten, Projekte (Auswahl):

1992-2007-lfd. Basilika und Geistliches Haus, Mariazell; 1997-99 Haus C., Graz; 2000-03 Haus R., Graz; 2002-2006 Haus T., Graz; 2004-2006 Praxis Dr.D., Mattersburg; 2004-2007 Umbau/Neubau; Albert-Schweitzer-Hospiz Graz, Wettbewerb (1.Preis); 2006-2008 Haus O., Graz; 2006-2010 Volksschule & Sportklub Bad Blumau (Wettbewerb 1.Preis; GerambRose 2012; Bauherrenpreis 2012; Nominierung Mies van der Rohe Award 2013); 2007-2010 Praxis Dr. Santigli, Gleisdorf; 2010-2012. Haus M., Bad Kissingen / D; 2012-lfd. Volksschule Lauterach (Wettbewerb 1.Preis)

William Knaack