Christian Aulinger

Neues Pensionssystem für Architekten und Ziviltechniker kommt

 

Christian Aulinger ist Architekt, 1964 in Graz geboren und hat an der TU Graz Architektur studiert. Er war Gründungsmitglied der IG Architektur, seit kurzem ist er Vorsitzender der Bundeskammer für Architekten. 

architektur sprach mit ihm über seine Absichten bei der Neustrukturierung der Kammer und erfuhr aus erster Hand seine Pläne und eine kleine Sensation im Pensionsrecht der Architekten und Ziviltechniker.

 

Herr Architekt Aulinger, warum haben Sie Architektur studiert?

Mein Vater ist zwar Architekt, er hat aber das bei mir absolut nicht gefördert, eher im Gegenteil. Ich habe auch ein Jahr Medizin studiert, dann aber abgebrochen und bin zur Architektur gewechselt. 

 

Und nicht bereut?

Nein, überhaupt nicht. Nach der zweiten Woche habe ich gewusst, dass ich hier glücklich bin.

Ich habe dann einen eher nichtlinearen Karriereweg gehabt, nach dem Studium war ich ein paar Jahre im Ausland Mitarbeiter diverser Büros, bin dann in den Bereich des Industrieanlagenbaus geraten und habe ein paar Jahre in eher exotischen Ländern verbracht. 

 

Und jetzt sind Sie der Vorsitzende der Bundeskammer?

Ich bin bei der Bundesvorsitzende der Sektion der Architekten. Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten ist getrennt, in eben diese zwei Sektionen. Jede Sektion hat - egal ob auf Bundes- oder Länderebene einen Vorsitzenden. An der Spitze sitzt der Präsident der Bundeskammer, Arch. Georg Pendl.

 

Können Sie bitte für alle, die es nicht wissen, kurz die Struktur der Kammer erklären?

Die Kammer ist nicht die ‚Architektenkammer‘, sie ist immer dieses Konglomerat aus Architekten und Ingenieurkonsulenten.

 

Was sind die Ingenieurkonsulenten?

Wir sind alle Ziviltechniker, Architekten und Ingenieurkonsulenten. Die Ingenieurkonsulenten können Statiker, Vermesser, Forstwirte, technische Chemiker, Lebensmittelchemiker sein, alle die den sogenannten ‚Adler‘ im Siegel führen dürfen. 

Die Kammer ist strukturell so aufgebaut, dass es eine Bundeskammer und vier Länderkammern gibt. Die Länderkammern umfassen immer mehrere Bundesländer. Theoretisch sitzt darüber die Bundeskammer, die alle jene Bereiche bespricht und behandelt, die bundesweite Gültigkeit haben oder haben sollten: Vertragswesen, Wettbewerbswesen... etc. Die Länderkammern sollten jene Bereiche abdecken, die eben auf regionaler Ebene Relevanz haben. Die Länderkammern und die Bundeskammer wissen aber eigentlich noch immer nicht genau, wer wem was erzählt und vorschreibt. 

 

Aber dieser Prozess sollte doch eigentlich von oben nach unten gehen?

Das Problem das wir in der Bundespolitik haben ist, dass die Länder ihre eigenen Reiche schaffen und handeln, wie sie eben glauben. Dieser Vorgang ist bei uns derselbe. Wir haben hier ein föderales System, das aber noch ein bisschen problematischer ist, weil die Länder sich nicht ganz sicher sind, ob die Bundeskammer ihnen vorschreibt was zu tun ist oder ob sie der Bundeskammer erzählen was zu tun ist.

 

Es haben sich einfach gewisse Selbstständigkeiten entwickelt?

Ja genau. Jetzt möchte ich da einhaken und zu einem Punkt kommen der wichtig ist: Im Moment ist meiner Meinung nach die Bundeskammer sehr gut aufgestellt. Es war noch nie eine derartige Einigkeit erkennbar.

 

Wie drückt sich diese Einigkeit aus?

Das ersieht man darin, dass wir einen Riesenschritt bei der Überleitung der WE (Wohlfahrtseinrichtung der Kammer) - die ja ein eigenes Pensionssystems in das alle Ziviltechniker einzahlen müssen, hat - in die FSVG (Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbstständig Erwerbstätiger), gemacht haben.

Wir haben in der Kammer einen Satz von 24,5% als Bemessungsgrundlage und das ist im Vergleich mit sämtlichen anderen Pensionssystemen wesentlich höher. Jetzt werden wir ins FSVG übergeleitet. Das wird zu vielen sehr positiven Effekten für uns führen. Dass das nach 10 Jahren Streit auch innerhalb der Kammer gelungen ist, ist ein in der Dimension kaum abschätzbarer Schritt. 

 

Warum war der Streit, wer konnte da dagegen sein?

Es herrschte sehr lange Uneinigkeit ob es nicht besser sei, ein kleines feines privates System selber zu fahren, statt am Staat zu hängen. Auch mit den Bedingungen, die der Staat dann diktiert. Es gab im Jahr 1999 ein paar Kardinalfehler, die gemacht wurden. Sie geschahen aus einer völligen Fehleinschätzung des Kapitalmarktes. Es wurde in Fonds investiert, zwar konservativ aber es haben sich diese völlig übertriebenen Erwartungshaltungen - nicht nur durch die Finanzkrise 2008 - nicht erfüllt.

 

Wir haben doch auch im Staat momentan die Problematik der Pensionssicherung für die nächsten Jahre?

Die Unsicherheit die die gesamte Bevölkerung hat, trifft die Architekten natürlich auch. 

 

Was ist jetzt besser an diesem System, warum sollte man nicht beim eigenen System bleiben?

Besser ist folgendes: Alle Pensionssystem in Österreich werden durch staatliche Zuschüsse gestützt, ausgenommen das System der Architekten. Wir waren die Einzigen, die keine Unterstützung bekommen haben, obwohl alle Ziviltechniker selbstverständlich auch Steuern zahlen. Das war ein Punkt wo viele schon auf eine verfassungsrechtliche Klage gedrängt haben. Unser System kann sich nicht ausgehen, weil ich den Prozentsatz der staatlichen Zuschüsse abziehen muss.

Das zweite riesige Problem war die Harmonisierung der Pensionsversicherungszeiten. Das WE System - das wir jetzt noch haben - hat die Jahre in einem staatlichen Pensionsversicherungssystem nicht anerkannt. In einem staatlichen System habe ich aber erst nach 15 Jahren einen Pensionsanspruch. 

 

Das heißt, dass einem Architekten eventuell 14 Jahre Pensionseinzahlungen, die er in einem staatlichen System geleistet hat, verloren gehen konnten?

Ja, genau! Schon das System in sich hat ein paar Jahre Pensionsverlust bedeutet. An den Beträgen, die für den Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten anfallen, kann man erkennen, was das tatsächlich für einen Verlust bedeutet. 

Im FSVG werden wir dann 20% bezahlen, jetzt sind es 24%. Das ist schon ein Unterschied.

Diese Überleitung ist jetzt so gut wie abgeschlossen: Es sind alle Gesetze verhandelt, die Texte sind geschrieben, Ende November ist das Gesetz im Ministerrat und am 5. Dezember im Parlament. Ab 1. Jänner 2013 sind alle Ziviltechniker im FSVG versichert.

 

Sie schreiben von einer kontraproduktiven (als Gegensatz zur effektiven) Berufsvertretung. Wo ist das Kontraproduktive?

In der Bundes- und der Länderkammer gibt es viel zu viele Gremien. Es gibt auf beiden Ebenen Ausschüsse zu allen möglichen Bereichen. Die arbeiten parallel und produzieren sich manchmal gegenseitig aufhebende Ergebnisse. Das ist Zeitverschwendung, da kommt kein Resultat heraus. 

 

Eigentlich müssten Sie alle Ausschüsse auf Länderebene mit einem Schlag auflösen?

Ich will das nicht so radikal formulieren, denn es war ja nicht alles umsonst, manches ist durchaus mit Liebe und Herzblut von den Kollegen bearbeitet worden. 

 

Wie gehen Sie mit den verkrusteten Strukturen, mit Sesselklebern um?

Es gibt eigentlich keine Sesselkleber, es ist eher so, dass die Leute nach 4 Jahren Kammertätigkeit weggehen. Aus zeitlichen Gründen und aus Überlastung. Alle arbeiten schließlich ehrenamtlich, also ohne Bezahlung.

 

Warum bezahlen Sie sich dann nicht zumindest ein kleines Entgelt, das würde doch helfen?

Weil die Angst vor einem Herr der Berufsfunktionäre umgeht. Wir haben uns einmal darauf geeinigt, ehrenamtlich zuarbeiten,. Aber die Frage einer Bezahlung ist sicherlich virulent und wird uns die nächsten Jahre begleiten. 

 

Gibt es aus dem Ausland für Sie Vorbilder einer gut funktionierenden Kammer oder Vertretung?

Ich habe im Zuge meiner Beschäftigung mit einer Strukturreform kein System gefunden, das ich kopieren möchte. 

 

Wie schaut Ihr Plan der Neustrukturierung der Bundeskammer aus?

Ich bin Vorsitzender einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Neustrukturierung befasst. Unser Vorschlag ist, dass man die beiden Sektionen - die am Anfang beschrieben wurden und die immer 2 Blöcke darstellten - auflöst. Dann soll eine themenbezogene Struktur, eine Ressortstruktur geschaffen werden.

 

Welche Anliegen haben Sie nun in den nächsten Jahren für die Kammer?

Das erste ist die Strukturreform. 

Ein Leitthema wird für mich ‚leistbares Wohnen‘ sein. Wir können und müssen als Kammer verstärkt gesellschaftspolitische Positionen beziehen. Wir haben eine gewisse gesellschaftspolitische Verpflichtung. 

Die OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik) Richtlinien als quasi 10. Bauordnung - die an und für sich gute Zeile beinhalten - haben in den letzten Jahren zu einer eklatanten Verteuerung des Bauens geführt. Die Erhöhung der Brandschutzziele - sicherlich mit der Absicht mehr Sicherheit zu bringen - hat bis jetzt noch kein Bauwerk verbilligt. Manche sogar verhindert. Eine politische Forderung von mir ist, dass die OIBs evaluiert werden müssen. 

Ein wesentlicher Punkt im Zusammenhang mit ‚leistbarem Wohnen‘ ist die Zweckbindung der Wohnbauförderung. Bei der nächsten Finanzausgleichsverhandlung mit den Ländern muss die Zweckbindung wieder festgesetzt werden. Dieses Geld darf kein ‚Spielgeld‘ der Länder sein.

Das dritte Thema ist das Wettbewerbswesen das als System weitergeführt und gepflegt werden soll.

 

Wie sehen Sie bei dieser Frage das Argument der Selbstausbeutung der Architekten?

Ich würde das etwas relativieren. Ich würde es auch nicht dauernd, gebetsmühlenartig allen entgegenhalten, die das gar nicht interessiert. Es zwingt mich niemand, Wettbewerbe zu machen. Es ist ein guter Weg, dass es die Möglichkeit gibt, über Wettbewerbe ins Geschäft zu kommen. 

Und das vierte Thema ist das Honorarwesen. Unserer Honorarsysteme sind ja so nicht mehr anwendbar. 

 

Warum nicht?

Die Gebührenordnung, die bis vor ungefähr 15 Jahren als bindend - auch wenn sich kein Kollege daran gehalten hat - verstanden wurde, wird auf europäischer Ebene untersagt, weil es eine Kartellbildung darstellt.

Wir als Berufsvertretung können Leistungsbeschreibungen herstellen, um den jungen Kollegen etwas in die Hand zu geben. Wir können auch Zeitrahmen vorgeben, für verschiedene Entwurfs und Auftragsgebiete. Wie viel der Kollege dann als Stundensatz einsetzt - das bleibt ihm überlassen. 

 

Da haben Sie in nächster Zeit viel zu tun. Danke für das Gespräch!

 

 

 

William Knaack